Grußworte

Grußworte (67)

Mag.a Isabella Bruckner
Ökumene-Beauftragte der Diözese Linz

In der biblischen Tradition beginnt der Tag nicht mit dem Sonnenaufgang am Morgen, sondern, wie es der erste Schöpfungsbericht kundtut, mit dem Abend: „Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag“ (Gen 1,5). Die Nacht steht hier für einen unverfügbaren Übergang, ein Werden und eine Verwandlung, die nicht in der Macht des Einzelnen steht. Nicht zufällig sind mit ihr im Christentum deshalb auch Tod und Auferstehung verknüpft. Ein solch nächtlicher Übergang lässt sich nicht herstellen. Er ereignet sich vielmehr im Wagnis, sich auf die Begegnung mit den Räumen, Worten und Zeiten, die der Andere eröffnet, einzulassen. Nach vielen Monaten voller Be- und Einschränkungen, des Bangens und der Verlusterfahrungen sehnen sich viele Menschen nach Veränderung und nach dem Anbrechen eines neuen Tages. Die Lange Nacht der Kirchen bietet die Gelegenheit, sich im Vorübergehen von Worten, Atmosphären, Gestalten und Melodien berühren und begleiten zu lassen, die uns einen neuen Blick auf die Umstände und die Dinge zu eröffnen vermögen. Dass uns genau in dieser Zeit die Erfahrung einer neuen Wahrnehmung und eines neuen, befreienden Umgangs mit unserer Situation geschenkt werde, das erhoffe ich für diese lange Nacht. Foto: Gerd Neuhold